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Einige versuchten, wieder Anschluss an ihre Truppe zu finden, andere versuchten, auf dem rechten Moselufer noch das letzte Fluchtloch zu finden und den Rhein zu erreichen, andere fanden Unterkunft bei Freunden und Verwandten oder sie versteckten sich in den Wäldern des Hunsrücks. Es war ein grandioses Durcheinander von Menschen, Motorrädern, Karren, Feldküchen, Gebrüll, Kommandos und Kanonen.
Horst und ich fanden dieses Durcheinander kreativ, spannend und gewinnbringend. Irgendwo gab es immer etwas zu klauen, zu „organisieren" oder zu erbetteln. Man durfte sich nur nicht erwischen lassen. Deshalb waren die ständigen häuslichen Leibesvisitationen besonders unangenehm. Mutter Maria bestand darauf, dass abends
alle Hosentaschen umgedreht und alle Behältnisse geöffnet wurden. Munition und Pulverreste, kleine Zünder, Zigarettenkippen, Streichhölzer und unbekannte Gegenstände wurden eingesammelt und beseitigt.Ganz besonders beliebt bei allen Jungen in Bernkastel waren die Pulverstäbchen und die Pulverblättchen, Die Stäbchen sahen aus wie die langen schwarzen Makkaroni. Man konnte sie an einem Ende mit einem Streichholz anzünden und dann in die Luft werfen. Das Pulverstäbchen zischte dann mit einem heulenden Ton irgendwohin und verbrannte dort. Die Pulverblättchen waren kreisrund mit einem großen Loch in der Mitte und mehreren kleineren Löchern in der Pulverscheibe. Diese Blättchen waren bei der männlichen Jugend besonders beliebt, weil sie seltener waren und lustige und ziemlich unkalkulierbare Flugbewegungen machten.
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Horst Ballmann hatte herausgefunden, dass man die Pulverblättchen für
einige Pfennige pro Stück an andere Kinder verkaufen konnte und mit dem Geld in der Apotheke am Marktplatz eine schön verpackte Tablettensorte
ohne Rezept erwerben konnte. Diese Tabletten waren
als Abführ- und Schlankheitsmittel für Frauen gedacht. Der Apotheker konnte in den Hungertagen vor dem Kriegsende diese Tabletten nicht mehr loswerden und war froh, dass Horst diese Tabletten in größeren Mengen in Zahlung nahm
als Entgelt für ein wenig Feuerholz-Hacken.
Die Tabletten bestanden aus
einem schwarzen, übelschmeckenden, bitteren Kern und einer perlmutt
weißen, dünnen Umhüllung aus feinem Zuckerguss. Horst und ich nahmen
eine Hand voll Pillen in den Mund und lutschten sie so lange, wie sie nochsüß schmeckten. Dann
spuck-
ten wir die bitteren Pillenreste in weitem Bogen auf
den Boden.
Um die Zuckerquelle nicht zu verraten, lutschten und spuckten
wir niemals in der Nähe der Apotheke. Wir gaben auch anderen Kindern
gerne einige Tabletten, sagten den Kindern aber nicht, dass
die eigentliche Wirkung der Pillen vermutlich in der bitteren Füllung
liegen könnte. Die Folge
war eine für manche Eltern eine unerklärliche Durchfall-Epidemie, die den Kindern volle Hosen und dem Arzt Dr. Schidtgen volle Kassen bescherte. Da der Apotheker seine Pillen nicht umsonst abgab, musste der Kauf aus dem Erlös von knallenden, oder brennenden Munitions-füllungen bestritten werden, die nicht leicht zu beschaffen waren.
Horst und ich entdeckten am Markt, dort wo es einen Durchgang
zur alten Kulturfürstlichen Kellerei gibt, einen Militärwagen mit vielen Kisten, die unseren Forscherdrang erheblich anstachelten. |
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