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in ihr kleines Schaufenster, die Telefone klingelten noch und die Bürger tranken ihren Moselschoppen.
Dann, am 19. Februar 1945, schlugen die ersten Bomben mitten
in die Stadt. Ich spielte mit Herrmännchen auf dem Bärenpütz, als die Sirenen Vollalarm brüllten und entschied mich, entgegen dem unzweideutigen Befehl meiner Mutter, mit Herrmann in dessen Keller zu gehen. Sein Luftschutzkeller lag ganz in der Nähe, ungefähr da, wo die Grabenstraße in die Alte Römerstraße übergeht, schräg gegenüber dem Haus des Schuhmachermeisters Heinrich Popp.
Weil der Keller aber schon übervoll belegt war, schickte man mich unbarmherzig nach Hause. Vor dem Kellereingang traf ich Opa Heinrich, den Schuster, der mich mit lautem Gebrüll antrieb, zu meiner Familie zu laufen. Mittlerweile war auch schon das Motorengeräusch des Bomberverbandes deutlich zu hören. Ich drückte gerade die schwere Haustür auf als mir eine ungeheure Luftdruckwelle die Arbeit abnahm
und mich in den Vorraum der Doctor-Weinstube schleuderte. Fenster klirrten, Dachziegel sausten durch die Luft, Menschen schrien. Mama, Marlene und ich rannten in blinder Angst in Richtung Felsenkeller, wo wir unter dem Schutz dicker Schieferschichten endlich Schutz fanden.
Als die Sirenen die Entwarnung verkündeten und wir zurück in unser
Haus gingen, sahen wir die Zerstörung am unteren Ende der Grabenstraße, wo man in einer grauen Staubwolke Menschen erkennen konnte, die auf einem Trümmerhaufen versuchten, mit Hacken und Schaufeln die Opfer des Bombenangriffs zu bergen. Eine Luftmine war
in Herrmännchens Luftschutzkeller eingeschlagen und die ungeheure Druckwelle hatte alle 41 Insassen auf einen Schlag getötet.

  Von den zahlreichen Familienmitgliedern haben nur der Vater und eine Tochter überlebt. Obwohl die ausgegrabenen Leichen entsetzlich zugerichtet waren, hatte niemand einen qualvollen Tod erleiden müssen. Die entsetzte und verstörte Bevölkerung war sogar bereit, diese nüchterne Betrachtung als Trost zu empfinden. Opa Heinrich wurde von der Welle in den hinteren Teil seines Ladens geschleudert, wo er unverletzt, aber ein wenig taub und laut schimpfend gefunden wurde.
Opa Franz war entsetzt über das Ausmaß der Bombardierung.
41 Tote mit einer einzigen Bombe in einer Kleinstadt, die nur 900 Einwohner hat, sei zu viel, wenn man nur ein wenig Terror machen
wolle, um die Nazis zu destabilisieren. In seinen Telefonaten und Gesprächen stelle er immer wieder fest, dass der Bombenterror die gequälte Bevölkerung eher solidarisch mache und dass ein Neuanfang nach dem Krieg in einem total vernichteten Land sehr teuer werde,
wenn dies überhaupt möglich sei.
Er fühlte sich auch in seiner Theorie bestätigt, dass es vollständig
sinnlos sei, in einen der Hauskeller zu gehen, weil es in den
Bernkasteler Häusern keine gewachsenen Felsenkeller gäbe, die auch nur einer kleinen Bombe standhalten könnten.
Es sei sehr einfach, sich auszumalen, was eine Bombe anrichte, wenn sie auf ein Fachwerkhaus treffe, welches nur aus ein bisschen Holz und Lehm bestehe. Er bliebe deshalb lieber in seinem Zimmer.
Da hätte er wenigsten die Chance oben auf dem Trümmerhaufen
zu landen!
Und deshalb wolle er mit seiner getreuen Hilde weiter in seinem Büro bleiben, weiter an einem wichtigen Artikel für eine Fachzeitschrift schreiben und auf die Amerikaner warten.
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