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Opa freute sich schon auf die Amerikaner, die er schon im Ersten Weltkrieg als deutschland-freundliche Sieger kennengelernt habe und
die eine Menge besten Weines bei ihm gekauft hätten.
Diese Erinnerungen weckten aber seinen Überlebensinstinkt so gewaltig, dass er plötzlich entschied, die enge Stadt zu verlassen und auf sein Hofgut, den Bergfried, umzusiedeln. Er bestellte den Hofverwalter Tenheil für den nächsten Morgen, ganz-früh, mit der zweispännigen Kutsche und den beiden Pferden zur Doctor-Weinstube und ließ sich in der Morgendämmerung, bevor die Flieger wieder in der Luft waren, durch die Weinberge zum Hof Bergfried bringen. Natürlich begleitete ihn seine Hilde. Vom Hof Bergfried meldete sich Opa Franz telefonisch in der Hebegasse und informierte uns, dass er heil und unbehelligt angekommen sei und dass er die kulinarischen Reichtümer seines Bauernhofes und die größere Sicherheit vor Bomben und Beschuss sehr genieße.
Auf dem Bernkasteler Friedhof, oben, oberhalb der Stadt, wurden von den Angehörigen der Toten die Gräber ausgehoben und die Leichen irgendwie auf den Friedhof geschafft. Der Fuhrunternehmer Coblenz war sogar bereit, zwischen zwei Angriffswellen seine beiden Pferde vor den Karren zu spannen und einige Leichen in die Burgstraße zu befördern. Der große, prunkvolle, städtische Leichenwagen mit den schwarzen Pferden vor einer großen Trauerversammlung wäre ein zu lockendes Ziel für die jungen, sportlichen Piloten der Jagdflugzeuge gewesen.Dann nahm der Alltag wieder seinen Verlauf und das Interesse auf 150 Gramm frisches Fleisch pro erwachsene Person auf die Reichsfleischmarken A bis F nahm wieder zu. Das Überleben zwischen den verschiedenen
  Heultönen der Sirenen war so dominant, dass man sich mit dem Gewesenen nicht allzu lange beschäftigen konnte.
Ballmanns Horst tauchte auch wieder auf und hatte Willi Olk im Schlepptau. Willi war der schlaue Sohn des Dentisten Olk, an den kein Kind eine gute Erinnerung hatte, weil der alte Olk eine Zahnbohr-maschine mit den Füßen wie ein Spinnrad antrieb. Sein Bohrer blieb gelegentlich im Zahn stecken und bereitete dadurch viel mehr
Schmerzen als der faule Zahn. Sein Sohn Willi war älter als Horst und
ich; er war der große Spezialist für unbekannte Munition und für Sachen, von denen man sich eine anständige Knallerei versprach.
Willi hatte in
der Nähe des Moseltalbahnhöfchens eine lange und dicke Röhre gefunden, die keinen Zünder hatte und aus der ein uns unbekanntes Pulver rieselte. Da sich eine kleine Probe des Pulvers mit einem Streichholz nicht entzünden ließ und weil wir uns den seltenen Fund
nicht wegnehmen lassen wollten, trugen wir das große, schwere „Ding“
in die Damentoilette des Bahnhöfchens und begannen mit
unseren Zünd-Tests erst, nachdem wir unseren Fluchtweg ausge-kundschaftet hatten. Wir stellten das „Ding“ schräg in die Ecke
des Klos, umgaben das Ende des „Dings“, aus dem das Pulver
rieselte, mit reichlich Stroh, welches wir mit viel Schwarzpulver anreicherten. Dann legten wir eine Pulverspur von dem „Ding“ bis in
den Vorraum der Damentoilette und zündeten das Pulver an.
Als sich zunächst nichts ereignete, kommandierte Willi mich in das Klo, um nachzuschauen, was da schiefgegangen sei. Kaum stand ich
neben dem Ding, da begann es ohne große Knallerei, sich in einen dicken, undurchdringlichen Nebel aufzulösen.

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