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Der Jäger, den wir bei seinen Zielanflügen vorne im Cockpit erahnen konnten, sah ein, dass ihm die Karnickel entkommen waren und flog davon. Während Mama kreidebleich und stumm den Rest des Weges nach Monzelfeld eilte, war ich ziemlich stolz, den Kampf mit einem Jagdflugzeug heil über-standen zu haben und dass ich
„Ballmanns Horst“ eine neue Heldentat berichten konnte.
Wir erreichten Monzelfeld und wurden von unseren Gastgebern freundlich und großzügig empfangen. Schnippelbohnen mit Bauchspeck und Butterbrot gab es zu Mittag und oben auf der Suppe schwammen dicke Fettaugen. Später gingen alle in die gute Stube, wo es riesige Stücke Streuselkuchen mit kühler Vollmilch für das Kind gab. Die Erwachsenen tranken dazu einen „Muckefuck“, den stark duftenden Ersatzkaffee aus gebrannten Zichorienwurzeln, gebrannten Eicheln und wenigen echten Kaffee-Bohnen. Den Muckefuck gab es mit Zucker und Sahne. Die Bereitung des Muckefucks mit echten Bohnen wurde zelebriert wie die Heilige Wandlung in der Kirche. Dabei erzählten wir von Ottweiler, Tante Lieschen, Onkel Jäb und dem Tabakladen. Und Mama bestätigte, dass die Sträucher, die Tante Lieschen bei ihrem letzten Besuch in Monzelfeld mitgenommen hatte, in Onkel Jäbs Garten gut angewachsen waren und dass er die Johannisbeeren mit einer Selbstschussanlage beschütze. Die Krönung unseres Besuches aber war das riesengroße Stück Schinken, welches, in Sackleinen verpackt, wir jetzt fast 6 Kilometer weit schleppen durften. Die Gastfreundschaft und die großzügige Fresserei entschädigte Mama und mich für den erlittenen Schrecken und die elende Schlepperei auf dem Heimweg.
Der Heimweg
war ein Kampf gegen die Flut der Flüchtenden. Panzer, Kanonen, Tross, Kradfahrer und Soldaten.

  Alle wirkten abgekämpft, verschmutzt und ungepflegt, stumpf und gleichgültig. Mama und ich im Qualm und Gebrüll der Motoren. Wir wurden nicht einmal mehr wahrgenommen; kein Winken, kein Rufen und kein Lächeln mehr; nur noch Angst und Verzweiflung. Nach einem langen und ermüdenden Fußmarsch  kamen wir wieder in Bernkastel an, wo wir mitsamt dem Schinken direkt in den Felsenkellerlaufen mussten, weil zu unserer Begrüßung alle Sirenen der Stadt ihre„Fliegeralarm“ heulten. Marlene, Nana und der kleine Manfred waren auch schon da. Todmüde von der Wanderung verschlief ich den Angriff und wachte erst auf, als die Sirenen „Entwarnung“ heulten.
Wenige Tage später, es war am 2. März, flog ein feindliches Flugzeug aus der Richtung Andel heran und unterflog die Stellungen der
deutschen 8,8 Geschütze.  Anscheinend wurde es von unserer Luftaufklärung nicht erkannt und deshalb wurde auch kein Luftalarm ausgelöst. Der Bomber wollten offensichtlich den fliehenden deutschen Truppen den Rückzug abschneiden und versuchte die Moselbrücke zwischen Bernkastel und Kues zu treffen.  Das Flugzeug wurde aber in der Moselbiegung ein wenig aus der Kurve getragen und so fielen die Bomben vorne in die erste Häuserreihe nahe am Gestade. Bei dem Bombenangriff starben 29 Bürger, Soldaten und Fremdarbeiter. Hilfreiche Männer und Frauen kletterten -mit Hacken, Schaufeln und Taschenlampen bewaffnet- über die Trümmer und versuchten, in die Keller zu gelangen, um die Lebenden zu befreien, die Verletzten zu bergen und die Toten mit einem fürchterlich  beißendem, chlorhaltigen Desinfektionsmittel zu
bestreuen. Auch die schöne, alte
„Kurfürstliche Kellerei“ wurde schwer getroffen.

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