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Entsetztes Schreien und Heulen, erstarrte Gesichter, mitleidvolles Seufzen. Dann, ungläubiges Staunen, Mutter Maria stand in der
Türe und schaute sich fragend um: Sie war in einer zähen Brombeer-Schlinge hängengeblieben, der rechte Strumpf war zerrissen, ein Schuh lag noch draußen, das Bein blutete und ihre Frisur hing ihr im Gesicht. Große Freude, Tränen, Streicheln und Händeschütteln.
Das Trommel
feuer verstummte wieder plötzlich und der Abend endete
in einer kleinen und herzlichen Feier. Alle freuten sich, weil noch einmal alles gut verlaufen war. Mutter Maria hatte ihre Hochschlagfrisur wieder
in Ordnung
gebracht und genoss den Trubel, der um sie entstanden war. Allerdings wehrte sie Händeschütteln, Schulterklopfen und Küsschen- Küsschen heftig ab. Mit kaputtem Strumpf, verlorenem Schuh und zerschundenem Knie wollte sie keine Huldigungen entgegennehmen.
In der Dämmerung des nächsten Morgens war das Wetterleuchten der ganz nah herangerückten Front über dem anderen Moselufer deutlich
am Himmel zu sehen und man hörte ein bedrohliches, tiefes Grollen mächtiger Motoren und das Rasseln von eisernen Ketten. Opa Popp
kam zu dem Schluss, dass die Front bald zwischen Bernkastel und Kues verlaufen müsse. Auf der rechten Moselseite waren die alliierten Truppen noch etwas weiter entfernt. Die ungeheure Menge der fliehenden deutschen Soldaten mit all ihrem Kriegsgerät deute doch ziemlich klar
an, dass an der Kampffront eigentlich kaum noch ein deutscher Soldat
zu finden sei. Daraus schloss er, dass es rund um unser Städtchen wahrscheinlich gar nicht mehr zu Kampfhandlungen kommen werde. Weiter könne man daraus folgern, dass sich die Nazi-Bonzen auch
schon in Sicherheit gebracht hätten und für ihn nicht mehr gefährlich |
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werden könnten: „Jetzt ist Zeit zum Handeln! Wir kapitulieren!“
Herr Tenheil nagelte sofort das bereitliegende weiße Betttuch an eine Bohnenstange und befestigte die Bohnenstange mit zwei dicken Seilen im Fenster über dem Eingang des Hauses. Das Betttuch war in der grauen Winterlandschaft weit und deutlich zu sehen und besiegelte für alle Bewohner des Hauses das Ende der Naziherrschaft auf Opas Bergfried.
Während wir Kinder das wehende Tuch schick fanden, sahen es die Erwachsenen mit sehr gemischten Gefühlen an, denn sie ahnten das Risiko, welches mit dem Hissen einer weißen Fahne verbunden war, besonders auch, weil Opa anordnete, wann Opa, Herr Tenheil und
Herr Zimmer zur Nachtwache in seinem Wohnzimmer zu erscheinen hatten.
Frau Tenheil wurde von Opa angewiesen, die Essvorräte zu prüfen, sofort den Sauerteig anzusetzen und am nächsten Morgen den Teig für frisches Brot vorzubereiten. Im großen Trog in der Futterküche sollen ausreichend Kartoffel gegart werden. Frau Tenheil versicherte, dass ausreichend Salz vorhanden sei, notfalls werde man das Viehsalz für die Kartoffel nehmen, die hauseigene Quelle liefere genügend Trinkwasser und mit etwas Fett und Mehl ließe sich eine geschmack-
volle Einbrennsoße machen. Dazu habe man ja auch noch die Milch
der Kühe und damit auch ausreichend Butter, zumindest für die Herrschaften!
Mein Schwesterlein Marlene meldete sich zu Wort und schlug Opa vor, auch Kleie mit unter die Pellkartoffel zu mischen: Die Kleie schmecke süß, wenn man sie nur lange genug im Mund lasse.
Sie weiß. wo ein ganzer Sack davon im Schweinestall stehe.
Opa nickte.
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