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Mit all diesen weißen Tüchern sah die geschundene Stadt schon wieder ein wenig freundlicher und zuversichtlicher aus.
Einige Bürger trauten sich aus ihren Häusern, wurden aber von den Soldaten sofort wieder zurückgejagt. Kurz darauf erschien der städtische Ausscheller auf dem Marktplatz und mit seiner stadtbekannten Stimme rief er laut und deutlich:
                                            “Bekanntmachung“,
                                            „Bekanntmachung“

und las von einem Zettel ab, dass der Herr Stadtkommandant folgendes anordnet und dass die Bevölkerung nur zwischen acht und neun Uhr am Vormittag und zwischen siebzehn und neunzehn Uhr die Häuser verlassen dürfte. Darüber hinaus seien alle Waffen sofort auf der Kommandantur abzugeben und die Häuser, in denen die Soldaten zu wohnen wünschten, seien sofort zu räumen. So viel klare Ordnung beruhigte die Bürger. Daran waren sie gewöhnt. Sie fingen an, die Fenster und die Löcher in den Wänden mit Pappdeckel zuzukleben und ihre Wertsachen im Garten oder im Haus oder sonst wo zu verstecken. Neger hin oder Neger her, ein bisschen Vorsicht schien am Platze. Außerdem wollte man die neue Zukunft nicht unbedingt nur hungrig erleben und man musste daher seine kleinen Reichtümer für den Tauschhandel retten. Auch auf dem Bergfried hatte man die
Veränderung im Städtchen registriert. Opa telefonierte mit seinem Freund und Nachbarn, Herrn Hundemer, und erfuhr, dass die
Amerikaner in der Rebschule in Kues so etwas wie eine Kommandantur errichtet hatten. Er wählte die Telefonnummer der Rebschule und zu seinem
Erstaunen meldete sich jemand, der in gutem Deutsch mit
  amerikanischem Akzent fragte, was er wolle.
Opa sagt dem Amerikaner, dass er ein ziemlich alter Bürger der Stadt sei, dass er oberhalb der Stadt auf seinem Gutshof säße, dass er
seine Waffen abgeben wolle und dass er ihnen -als Geschenk an die Sieger- zwei fette Nazibonzen übergeben wolle, die er auf seinem
Hofgut vor der Lynchjustiz bewahre. Er möchte auch gerne wissen,
was er den polnischen und französischen Asylanten erzählen soll, die
er vor den Nazis beschützt hätte. Die Asylanten wollten so schnell wie möglich zurück in ihre Heimat, wollten aber nicht irgendwo zwischen die Fronten geraten. Der Amerikaner sagte:

                               “Well, Mister Popp, wir kommen sofort!“

Nach einer halben Stunde waren sie da: Zwei Jeep-Fahrzeuge, ein weißer Offizier und drei schwarze Soldaten-mit ihren Maschinengewehren schussbereit im Anschlag.  Sie waren etwas
irritiert, dass so viele Leute zu ihrer Begrüßung erschienen waren und dass so viele Männer zu sehen waren, die mit freudigem Lachen in die Hände klatschten. Wir Kinder versteckten uns hinter unseren Müttern.  Opa erschien in der Haustür. Er zeigte auf die Männergruppe und
sagte: „Das sind unsere französischen und polnischen Asylanten;
diese Männer und wir begrüßen sie als unsere Befreier und heißen
sie willkommen.“
Dann kam Herr Tenheil aus dem Haus. Er trug Opas 5 Jagdgewehre im Arm und legte sie vor seine Füße auf den Boden.Die Stimmung wurde
jetzt ein wenig entspannter und die kleine Marlene
näherte sich
einem
Soldaten, der dem kleinen Mädchen freundlich über die Haare strich.
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