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eingeladen,mal nach Deutschland zu kommen.
Jetzt sind sie da und du machst mir Vorwürfe?! Ich hätte dir vielleicht ein Tütchen Nescafé geschenkt, aber weil ich es von einem Neger habe,
kann ich dir so etwas sicher nicht zumuten! Auf Wiedersehen!“
Die „fromme Bärbel“ zog beleidigt ab und hatte eine große Wut im Bauch, weil sie kein Tütchen Nescafé abbekommen hatte. Mama, Nana und Hehe haben dafür gesorgt, dass Nanas Tirade ganz schnell in Bernkastel bekannt wurde. Danach herrschte Ruhe im Karton und ich konnte von Tom heranschleppen, soviel er mir immer wieder schenkte.
Das „fromme Bärbel“ war eigentlich nicht typisch für die fleißigen, armen aber lebensfrohen Christen im Städtchen. Die frommen Bernkasteler waren eigentlich ganz bodenständige Christen. Die mühselige Arbeit im Wingert und die viele frische Luft kosteten sie viel Kraft und so kam es, dass der Schoppen Wein ihnen meist einen guten und tiefen Schlaf bescherte. Für nennenswerte schlimmere Sünden war da nicht viel Raum
Sie hatten eine schöne Kirche mit einem Kantor und einem Kirchenschweizer in rotem Gewand, der, mit einer spitzen Pike bewaffnet, in der Kirche Ordnung hielt. Er hielt die Geschlechter auseinander, trennte die Jungen von den Alten, die Reichen von den Armen und die Nonnen von den anderen Nonnen. Die vielen Nonnen in der Pfarre und dem Waisenheim und im Cusanusstift trugen zum Stadtbild bei und hielten den Hochwürdigen Herrn Dechant und die Kirche gepflegt und sauber. Sie hatten darüber hinaus noch Laienschwestern zu befehlen, die sich mit den niederen Diensten zufriedengeben mussten. Die Laienschwestern waren sozusagen das
  Putzgeschwader Gottes in Bernkastel. Die Ordensschwestern
dagegen halfen den Bernkastelern beim Leben und beim Sterben, gelegentlich auch beim Vererben und sie dressierten die Waisenkinder mit
geziemender christlicher Unnachgiebigkeit. Jeden Tag war ihr
Aufmarsch i
n der Kirche zu bewundern, wo sie an genau definierten Plätzen in wohldefinierten Bankreihen ihrem Bräutigam, dem lieben Jesuskind, die Treue versprachen.
Besonders feierlich wurde es in der Kirche, wenn nach einer donnernden Predigt des Herrn Dechants die Bürger des Städtchens gemeinsam mit den Nonnen die regionale Nationalhymne anstimmten und mit lauter Bruststimme  ihren „unbesiegten Gottesheld, Sankt Michael“ priesen. Dazu ließ der Kantor die Orgel mächtig brausen
Der festlich gewandete Kirchenschweizer öffnete die schweren Kirchentüren, um die Bernkasteler wieder in ihre Welt der Weinberge, des Weines und des Moselflusses zu entlassen.

Nana hat natürlich auch Opa die Geschichte von der bösen Bärbel erzählt. „Jaja“, sagte er und fügte hinzu, dass er eigentlich nichts gegen fromme Leute habe, solange diese nicht anderen Menschen ihre Frömmigkeit überstülpen würden.Auch Bärbel sei schließlich nur das Opfer einer jahrtausendlangen falschen Prägung. Er befürchte aber,
dass die Pfaffen, nachdem die Nazis gerade verschwunden seien, wieder aus ihren Löchern kämen und den Bernkastelern vorschreiben wollten, was sie zu denken hätten
und was mit ihrer neuen Freiheit anfangen sollten.
Er wolle noch bis zum endgültigen Zusammenbruch auf dem
Bergfried bleiben und ein bisschen für die Zukunft vorsorgen.
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