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ihre Soldaten und deren Spielgefährtinnen Tag und Nacht mit Tanzmusik versorgten. Der Sender hieß American Forces Network, AFN, und dröhnte aus allen Radios. Horst und ich fanden alles gut, was diese Sender anschwemmten; wir waren allerdings sehr ablehnend gegenüber der seltsamen Musik, die von ihrer Anhängerschaft Jazz, von mir und Horst aber Negergedudel genannt wurde.
Die Geschehnisse um uns herum beschäftigten uns und unsere Eltern so sehr, dass wir den weiteren Verlauf des Krieges gar nicht mehr aufmerksam mitverfolgten. Alles war neu und fremdartig und spannend und umspülte uns ohne Gewalt in einer angstfreien Umgebung. Die Westmächte waren bereits weit über den Rhein vorgedrungen, die Russen hatten Berlin eingeschlossen und der geliebte Führer war gefallen.
Eigentlich interessierte dies alles keinen Menschen mehr. Wir fanden die Amis ganz nett, der Handel mit Kippen lief gut, die kleinen Pakete von meinem Neger trafen pünktlich ein und der Hunger war zu ertragen. Wir brauchten nachts nicht mehr in den Felsenkeller und die wilden, stinkenden Trümmerhaufen verwandelten sich ganz langsam in geordnete Trümmerlandschaften, auf denen schon die ersten Gräser wuchsen. Diese Idylle verführte zu einer gewissen Sorglosigkeit, die uns Mitte des Jahres eine schlimme Überraschung bescherte.
Die Amerikaner hatten uns an die Franzosen verhökert!
Die Franzmänner betrachtete sich als gleichberechtigte Sieger und wollten ihren Anteil an der Siegesbeute. Natürlich wollten sie kein Stück von Ostpreußen, sondern die Landstriche, die sie schon seit ein paar Jahrhunderten immer gerne gehabt hätten und dazu noch ein paar Landstriche auf der anderen Rheinseite und natürlich auch das Saarland.
  Plötzlich, über Nacht,verschwanden die Amerikaner aus der Stadt.
Tom Baker, mein Freund und Sponsor war weg, ohne Abschied, und manche deutsche Maid lag plötzlich wieder alleine in ihrem Bett.
Anders als die Amerikaner, kamen die Franzosen aus einem Land, welches jahrelang unter deutscher Besatzung gelitten hatte und
welches sich selbst als ein Erbfeind der Deutschen verstand. Und so benahmen sie sich auch. Vieles von dem, was die Deutschen in Frankreich falsch gemacht hatten, wiederholten nun die Franzosen in ihrem Besatzungsgebiet.
Für uns kleine Schwarzmarkthändler brachen schlechte Zeiten an. „Ballmanns Horst“ erntete gleich ein paar Schläge mit dem Ochsenziemer über den Rücken, als er einem französischen Offizier
die Restbestände seiner amerikanischen Kippen anbot. Stolz waren
die Franzosen, obwohl sie grausam schlechte Zigaretten rauchten und einen fast ungenießbaren roten Wein tranken. Die französischen „Gitanes“ und „Gauloises“ waren sogar schlechter als die deutschen „Blaue Pilot“. Sogar unser Zigarettenspezialist Arno weigerte sich,
seine Fälschungen mit französischen Zigaretten zu strecken.
Er sagte, dass man den Kratzeffekt im Hals der “Gauloises“ dadurch herstellen könne, indem man durch eine „Blaue Pilot“ das
Schwanzhaar eines Pferdes hindurchziehe.
Auch die Ernährung der neuen Besatzer war erbärmlich schlicht.
Ganz schlimm für die armen Sieger war auch die Tatsache, dass
sie fast keinen Sold für ihre Soldatendienst bekamen und für ihren kleinen Sold in unserem verarmten Land nichts kaufen konnten.
Die Franzosen waren arm wie die Kirchenmäuse und so verbesserten
sie ihre Notlage, indem sie alles requirierten, was in ihre Nähe kam.
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